Abschlussrede
2023 für den Jahrgang 10
Als
Schulleiter der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck
begrüße ich sie alle herzlich zur diesjährigen
feierlichen Zeugnisübergabe unseres Abschlussjahrgangs 10.
Mittlerweile nicht mehr ganz ungewöhnlich für mich, weil
wir dies nach vielen Veränderungen in den Jahren der
Coronapandemie weiterhin in zwei Gruppen getrennt und nicht –
wie zuvor - als Gesamtjahrgang begehen, da wir in dieser Veränderung
eher eine Stärke als einen Nachteil gesehen haben.
Deswegen
sitzen in der ersten Runde die Schüler:innen der Klassen 10a, 10
b und 10e hier.
Deswegen
sitzen in der zweiten Runde die Schüler:innen der Klassen 10c,
10d und 10f hier.
Und
deshalb umso mehr: Alle Menschen, die heute bei uns sind, haben einen
Grund gemeinsam zu feiern. Ich begrüße also die
Schülerinnen und Schüler unseres zwanzigsten
Abschlussjahrgangs in der Sekundarstufe I mit ihren Familien oder
Freunden sowie Teile des Kollegiums – Herzlich willkommen!
Unsere Einladung
enthält traditionell den Verweis auf eine Bibelstelle, die wir
den Zehntklässler:innen als Gruß mit auf den Weg geben.
Diesmal sind es Verse aus Sprüche 31,8:
„Tu deinen
Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die
verlassen sind“. Es ist ein Verweis darauf, wie wichtig auch
immer der Blick auf die Schwächeren in unserer Gesellschaft ist.
Obwohl
der Hauptteil meiner Abschlussreden seit nunmehr 10 Jahren immer
anders ausfällt und für mich in eine durchaus anstrengende
Schlussphase des Schuljahres fällt, habe ich mich tatsächlich
noch nie auf den Einladungstext und den hier ausgewählten
Bibelvers bezogen: aber für alles gibt es ein erstes Mal und das
hängt vermutlich auch mit dem Schwerpunktthema unserer
diesjährigen Kollegiumsfortbildung im Evangelischen
Bildungszentrum Haus Villigst zusammen: Bildung für nachhaltige
Entwicklung – ein Thema, welches für unsere Evangelische
Gesamtschule schon immer auf dem Hintergrund der „Bewahrung der
Schöpfung“ eine große Rolle gespielt hatte, aber nun
noch mehr in den Fokus gerückt ist und weiterhin rücken
wird, aber auch für euch, die ihr nun teilweise die EGG
verlassen werdet, von größter Bedeutung sein wird.
Alle
bisherigen Sommer, so heiß sie auch 2018, 2019 und 2022 waren,
werden aus der Zukunft betrachtet zu den kühlsten dieses
Jahrhunderts gehören. Seit meinem eigenen Realschulabschluss
1978, dem Jahr in dem das mehrere tausend Seiten dicke vom
amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegeben
wissenschaftliche Werk „Global 2000“ über die
weltweiten Probleme erschien und heute ist kein Deut weniger Dreck in
den Himmel gepustet worden, sondern es gibt einen größeren
Ressourcenverbrauch, schnelleres Artensterben und ständige
Temperaturrekorde zu verzeichnen.
Was
aber früher als Problem erkannt worden ist, welches irgendwann
irgendwo eintritt, welches also Relevanz hatte, aber weit entfernt
ist, hat sich das geändert durch die Überflutung des
Ahrtals oder seit unsere Urlaubsregionen in Italien, Frankreich,
Spanien oder der Türkei kein Wasser mehr haben oder jeder im
letzten Sommer durch den Rhein laufen konnte ohne Jesus zu sein. Wir
müssen nicht mehr das Klima retten, sondern uns. Und das Klima
wandelt sich auch nicht einfach – sondern wir Menschen erhitzen
und leiden selbst darunter. Wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor der
Nase und weniger als ein Jahrzehnt Zeit, um die Emissionen drastisch
zu reduzieren.
Gekennzeichnet
ist das durch den Begriff der „Irreversibilität“.
Hierzu ein kleines, aber anschauliches Bild, welches von Eckart von
Hirschhausen stammt: „Legen sie ein Ei in Wasser über 40
Grad, es wird hart. Und auch, wenn das Wasser abkühlt, nicht
mehr weich. Aus einem gekochten Ei wird nie mehr ein Küken. Es
hat für immer – also irreversibel – die Chance auf
Leben verloren. Woraus besteht ein Ei? Aus Wasser, Fetten und
Proteinen. Woraus besteht ein Mensch und insbesondere unser
menschliches Gehirn? Aus Wasser, Fett und Proteinen. Wir können
uns aus unserer Biologie nicht freikaufen. Naturgesetze sind nicht
verhandelbar.“
Es
ist zwar schwer die Welt ehrenamtlich zu retten, solange andere sie
hauptberuflich zerstören. Das Wichtigste, was ein Einzelner
heute machen kann, ist nicht allein zu bleiben. Und hier beginnt
hoffentlich das, wofür wir euch hoffentlich in den letzten
Jahren an der EGG auch qualifiziert haben; nämlich Wichtiges
von Unwichtigem und Richtiges von Unrichtigem besser unterscheiden zu
können. Und dabei offen zu sein für andere Menschen und
diese nach ihren Werten zu fragen: „Was ist dir wichtig?“
„Worüber machst du dir Sorgen?“ Und sprecht dabei
auch bewusst mit Menschen, die anders ticken als ihr.
Vielleicht
hilft euch in diesem Kontext auch unser schulinterner Versuch des
interreligiösen Lebens, denn:
Stichwort:
Lust auf die Zukunft – Wenn die Religionen besser als andere
wissen, war wir Menschen wirklich brauchen, gelingt es uns dann
nicht mit ihrer Hilfe, real auch weniger zu ver-brauchen?
Stichwort:
Weltweites Netzwerk und dieses ist durch die Ökumene gegeben –
„Die Klimakrise ist so himmelschreiend ungerecht, weil
diejenigen, die den Himmel am wenigsten verdreckt haben, heute
bereits am härtesten betroffen sind: die Menschen im globalen
Süden.“ Darüber hinaus besteht die Ungerechtigkeit
zwischen den Ländern und innerhalb der Länder, denn „je
gebildeter und reicher Menschen sind, desto höher ist ihr
CO2-Fußabdruck. Aber auch ihr Handabdruck, durch ihr Handeln
etwas zu verändern.“ Biblisch könnte man also sagen:
Am Handabdruck sollt ihr sie erkennen, wobei wir wieder bei dem
alttestamentlichen Bibelvers wären: „Tu deinen Mund auf
für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen
sind“.
Stichwort:
Nächstenliebe als die goldene Grundregel in allen
monotheistischen Religionen – und dieser Nächste bzw.
diese Nächste kann in unserer heutigen, digital vernetzten
Gesellschaft auch 5.000 Kilometer entfernt sein oder ich erweitere:
50 Jahre! Bewahrung der Schöpfung hat nicht nur etwas mit uns
im Hier und heute zu tun, sondern immer auch mit der Rücksicht
auf unsere nächsten Generationen und als solche sitzt ihr
Schüler:innen hier heute vor mir.
Als
Elon Musk einmal twitterte: „100 Millionen für eine
Erfindung, die CO2 binden kann“, schrieb jemand zurück:
„Dürfen sich auch Bäume bewerben?“ Eine witzige
Replik, die aus meiner Sicht aber auch zeigt, dass Veränderungen
gerade auch im Kleinen beginnen können.
Unabhängig
davon, ob sich unsere Wege nun trennen oder noch einige Jahre weiter
gehen werden, wünsche ich euch, dass eure Zeit an der EGG
irgendwann rückblickend zu den guten Zeiten eures Lebens gehören
mag und dass ihr weitere gute Zeiten folgen mögen. Ihr habt
diese Schule mit Leben gefüllt, euer Geist und eure Fröhlichkeit
haben sie mitgeprägt. Ich sage im Namen der EGG: Herzlichen
Dank!
Bei
Ihnen, liebe Eltern, bedanke ich mich für das geschenkte
Vertrauen, für kritische Fragen, ermutigende Rückmeldungen
und für alle Unterstützung in den letzten (zumeist) 6
Schuljahren ihrer Kinder. Vielleicht möchten
Sie auch zukünftig zu besonderen Veranstaltungen eingeladen
werden (Konzerte, Feste); dafür geht während der
Feierlichkeiten eine Liste herum, in der sie sich mit ihrer
Mailadresse eintragen können und gezielt eingeladen werden. Auch
meine Rede kann – wie immer und garniert mit einigen Fotos
dieses Jahrgangs - auf unserer Homepage, dann bereits unter Ehemalige
und dann Abschlussfeiern Jahrgang 10 – nachgelesen werden.
Euch,
liebe Kolleginnen und Kollegen – und damit sind insbesondere
die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der letzten sechs (vier oder
zwei) Schuljahre gemeint – danke ich für das andauernde
Engagement, den Langmut und die Freundlichkeit, mit der ihr eure
Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren begleitet
habt.
Ich
möchte zum Ende meiner Rede hin stellvertretend für alle
hier Sitzenden die Schüler:innen nach vorne bitten, die in
diesem Jahrgang das beste Zeugnis ihres Abschlusses erzielt haben und
denen ich als Widmung in das Buchpräsent geschrieben habe:
„Herzlichen
Glückwunsch zum besten Zeugnis deines Jahrgangs im Abschlussjahr
2023. Ich wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem
weiteren Weg.“ Dein Schulleiter, Volker Franken
Gruppe
10a – 10b – 10e:
10a:
Joelina Wollny + Arda Cinar
Gruppe
10c – 10d – 10f
10d:
Nico Adolph + Lilian Brodoch
Wir entlassen unsere
Schüler:innen – wie auf der Einladung geschrieben - in
eine Zukunft, der sie mit dem bei uns erworbenen Rüstzeug
hoffentlich ohne Furcht und besonnen entgegensehen können. Und
wir würden uns wünschen, dass sie an der EGG auch gelernt
haben, anderen Menschen mit Zuneigung und Zuwendung zu begegnen.
Die
EGG verabschiedet sich in Dankbarkeit und Respekt von ihren
Schülerinnen und Schülern und deren Eltern, von denen uns
wie wir wissen auch viele für weitere Jahre erhalten bleiben.
Genießt diesen Tag. Es ist im Leben nicht oft so, dass man an
einem lange angestrebten Ziel angekommen ist.
Herzlichen
Dank für ihre Aufmerksamkeit.