Abiturrede 2014
Liebe Abiturienten – sehr geehrte Eltern und Angehörige – liebe Kollegen:
Interessanterweise erhält der Redner manchmal kleine Hinweise zu seiner Rede, wie beispielsweise:
nur nicht zu lang
nicht zu kompliziert oder
bloß nicht wieder so viele Daten, aber:
wenn man dann hier vorne steht kann man sich über all das wieder locker hinwegsetzen, also habe ich mich – für einen Historiker angebracht – doch wieder auf die Suche nach Daten und harten Fakten gemacht, um Bezugspunkte zu meiner diesjährigen Abiturrede anzustellen.
Ausgeschlossen habe ich dabei näher auf die Verknüpfung einzugehen, dass am 26. Juni
1917 die ersten US-amerikanischen Soldaten an der Küste Frankreichs landeten
1945 mit der Unterzeichnung der Vereinten Nationen die UNO gegründet wurde
1948 die Berliner Luftbrücke begann oder
1963 der US-Präsident John F. Kennedy vor 400.000 Menschen eine Rede hielt, die mit „Ich bin ein Berliner“ endet.
Entschieden habe ich mich jedoch für einen Aufhänger der heute nahe liegt und sich mit Anekdoten auf Schule und Bildung, individuelle Leistungsbereitschaft und Teamgeist übertragen lässt: dem Thema Fußball eben. So stellt beispielsweise
Thomas Häßler fest: „In der Schule gab es für mich Höhen und Tiefen. Die Höhen war der Fußball.“
Zuerst einmal bin ich die Begründung schuldig, warum wir uns datumsaktuell überhaupt mit Fußball beschäftigen sollen, also:
Am 26. Juni 2007 starb Jupp Derwall (einer der etwas weniger erfolgreichen Bundestrainer);
Am 26. Juni 1969 kommt es beim Weltmeisterschaftsqualifikationsspiel zwischen Honduras und El Salvador zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in dessen Folgen der sogenannte Fußballkrieg zwischen diesen Ländern ausbricht;
Am 26. Juni 1954 kommt es zum torreichsten Fußballspiel bei einer Weltmeisterschaft: Österreich besiegt die Schweiz mit 7:5
Genügend historische Gründe also sich von hier aus einer Abiturrede zu nähern, weshalb also nicht mit Rudi Völler der ein Ziel wie folgt definiert:
„Zu 50% haben wir es geschafft, aber die halbe Miete ist das noch nicht.“
Also starte ich noch einmal:
Liebe Mannschaft, ich gratuliere euch hier Anwesenden zu einem hervorragenden Spiel. Ihr habt insgesamt hart gekämpft, ja sicher die eine etwas mehr und der andere etwas weniger, aber ihr seid an eurem Ziel angekommen; nicht in 90 Minuten, aber die meisten von euch in 9 Jahren an der EGG. Doch nun haben sich alle Mühen und Strapazen gelohnt: Jeder einzelne von euch kann sich Abiturmeister 2014 nennen. Trotzdem dürft ihr nicht vergessen, dass weitere herausfordernde Spiele auf euch zukommen werden, weshalb sich eine kurze Analyse des vergangenen Turniers lohnt. Dies erfolgt im ersten Teil mit einem Zitat von
Lukas Podolski, der scharfsinnig anmerkt: „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel.“
Nun ja, das wussten die meisten von euch bereits, auch wenn sie keine AG bei Herrn Sievert besucht haben. Die ersten Jahre an der EGG haben viele von euch zur Akklimatisierung genutzt, denn ihr musstet euch an die neue Atmosphäre und den ungewohnten Rasen gewöhnen, der ja auch tatsächlich manchmal selbst gemäht werden musste. Unsere Trainer klärten euch über viele eurer Illusionen auf, aber ihr konntet eure schulische Zeit an der EGG auch in einem wundervollen Klassenhausambiente verbringen. Das änderte sich erst mit dem Wechsel in die Oberstufe und der Zielorientierung Prüfung, oder um hier mit Ailton zu sprechen:
„Es ist einfacher Tore zu schießen, als den deutschen Führerschein zu machen“
Und was soll das dann erst einmal mit dem Abitur geben…
Nun auf dem Weg dorthin wurde jedem von euch klar, dass man für sein eigenes Weiterkommen selbst verantwortlich war und man seine persönlichen Qualitäten in Bezug zu den Trainern und den Mitspielern unter Beweis stellen musste. Auch musste die Technik verbessert werden, mussten Spielzusammenhänge erkannt, Aufstellungen durchschaut und alles das im Transfer angewandt werden. Letztendlich konntet ihr euch aber am Ende immer durchsetzen, sonst wäret ihr ja heute nicht hier. Sicherlich, so wird berichtet, gab es auch die eine oder andere Unsicherheit auf die ich eingehen möchte, aber um mit
Lothar Matthäus zu sprechen: „Man darf den Sand nicht in den Kopf stecken“.
So hatten einige das Gefühl den Aufgaben nicht gewachsen zu sein und brauchten viel Betreuung vom Betreuerstab; von anderen wurde oftmals getrickst, sei es mit Doping um ein besseres Spielergebnis zu erzwingen oder mit Schwalben, um sich vor dem nächsten harten Training zu drücken. Die Urlaubstage die sich einige Spieler nahmen, zogen sich oft unangemessen in die Länge. Spätestens an dieser Stelle kommen natürlich die Trainer in den Blick, obwohl man diese mit
Toni Polster sagen lassen kann: „Ich bin ein Optimist. Sogar meine Blutgruppe ist positiv.“
denn ich glaube hier seid ihr auf ein großes Maß an Toleranz und Unterstützung gestoßen, für das ihr sehr dankbar sein könnt. Und selbst denjenigen unter euch, denen die Abseitsregel bis zum Finale unklar war, wurde sie geduldig von den Trainern erklärt. Aber vielleicht geht es euch hier momentan noch wie einst
Jens Lehmann, der sagte: „Eine Minute nach Spielende habe ich noch nicht die Intelligenz um das Spiel zu beurteilen.“
Denn sicher ist nur, dass Veränderungen auf euch zukommen werden und dass die Schulzeit zumeist in der Rückschau als besonders angenehm erscheint, was nicht nur die Feuerzangenbowle zu erzählen weiß. Noch ist ungewiss was euch alle konkret erwarten wird. Einige von euch haben schon genauere Vorstellungen davon, in welches Team sie wechseln wollen und in welcher Position sie spielen möchten, während andere noch etwas ratlos bezüglich ihrer Zukunft sind. Sicher ist jedoch, dass ihr gleich ALLE das jetzige Team verlassen werdet. Ich hoffe, dass jeder von euch, die zu ihm passende Spielposition findet und damit glücklich wird, so dass ihr mit
Kevin Kurány sagen könnt: „Mir geht es besser als gestern und schlechter als morgen.“
Und mit diesem Blick auf die Zukunft möchte ich tatsächlich auch in dieser Abiturrede zum Ende hin ernsthafter werden. Zukunft bezeichnet die Ereignisse zu einem Zeitpunkt, der noch aussteht und in geringer oder großer Entfernung liegt. Zugleich lässt der Begriff Zukunft noch mehr anklingen: Verheißung oder Drohung schwingen darin mit, günstiges oder böses Schicksal.
Es gab Zeiten, da war die Zukunft nicht viel mehr als der morgige Tag, der jeweils seine eigene Plage hatte. Er konnte Glück oder Unglück mit sich bringen. In dem Maße aber, in dem Menschen ihre Geschicke in die eigene Hand nehmen, wird aus der Zukunft, die kommt und etwas mitbringt, das selbst gewählte Schicksal. Zukunft gerät zur machbaren Folge von geplantem Handeln und Unterlassen. Zukunft wird meine eigene Leistung – getreu dem Motto: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“
In der Bibel aber spielt der Begriff Zukunft eine höchst untergeordnete Rolle. Hier wird erzählt vom lebendigen Gott, der kommt, um im Kampf den Schwachen beizustehen und den Gerechten Gelingen zu geben. Gott kommt zum Menschen, Er kommt zu uns. Nicht wir müssen Zukunft machen und garantieren. Wir können Zukunft wagen – ihr könnt Zukunft wagen – in der Gewissheit: Gott wird an eurer Seite sein, in allem was ihr auf eurem Weg ausprobiert. Passend dazu scheint mir – und schon sind wir wieder bei einem Fußballer - das Lebensmotto von Marcelo Bordon aus dem AltenTestament ausgesucht zu sein:
„Fürchte dich nicht, ich stehe dir bei! Hab keine Angst, ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ich helfe dir.“ (Jesaja 41,10)
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten. Wir entlassen euch in euer Leben nach der Schule und ein Moment wie dieser ist immer etwas Besonderes und lässt vermutlich alle nicht kalt. Liebe Abiturientinnen und Abiturienten habe ich in dieser Rede mehrfach gesagt und damit die letzte Gelegenheit genutzt, als euer Schulleiter zu euch zu reden.
Wenige Minuten noch, und alle Beziehungen zwischen euch und dieser Schule und ihren Menschen werden ergänzt oder ersetzt durch Wörter wie „ehemalig“ oder „früher“. Meine ehemalige Schule. Mein früherer Schulleiter oder Oberstufenleiter, meine Beratungs- oder Biologielehrerin.
Ich wünsche euch – auch in Anlehnung an den Gottesdienst – dass eure Zeit an der EGG irgendwann rückblickend zu den guten Zeiten eures Lebens gehören mag und dass ihr weitere gute Zeiten in der Zukunft folgen mögen. Ihr habt diese Schule mit Leben gefüllt. Ich sage im Namen der EGG: Herzlichen Dank!
Sie, liebe Eltern haben ihre Kinder zu unterschiedlichen Zeiten an der EGG angemeldet und ihre Erwartungen mögen von daher unterschiedlich gewesen sein. Wer sein Kind vor 9 Jahren hier angemeldet hat, hat eine andere Geschichte mit unserer Schule als derjenige, der die EGG erst in der Oberstufe kennen gelernt hat. Ich hoffe, sie hatten selten Grund, an ihrer Entscheidung zu zweifeln und sie sind heute mehr denn je überzeugt, dass diese Entscheidung nicht schlecht war. Wir bedanken uns bei Ihnen für das geschenkte Vertrauen.
Vielleicht möchten Sie auch zukünftig etwas Nähe halten und zu besonderen Veranstaltungen eingeladen werden (Konzerte, Feste) dann liegt nach den Feierlichkeiten in der Oase eine Liste aus, in der sie sich mit ihrer Mailadresse eintragen können. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelänge hier nach und nach auch etwas für Ehemalige aufzubauen.
Bedanken möchte ich mich in aller Namen auch bei den Lehrerinnen und Lehrern, die im Laufe der Jahre euch bzw. ihre Kinder begleitet haben. Dafür, dass sie euch als Individuen wahrgenommen haben und zu fördern suchten und sich bemüht haben euch gerecht zu werden. Wo wir euch etwas schuldig geblieben sind hoffen wir auf Nachsicht und Verzeihen, weil wir darauf genauso angewiesen sind wie jeder andere Mensch auch.
Dass wir als Schule durchaus wieder erfolgreich gewesen sind, lässt sich nur begrenzt an dem Gesamtabiturnotenschnitt von 2,59 oder der Tatsache ablesen, dass 11 Schüler einen Abiturnotenschnitt von Einskomma erreicht haben; am ehesten vermutlich noch mit der Tatsache, dass von 79 Abiturienten lediglich 21 am Ende der Klasse 4 eine gymnasiale Empfehlung erhalten hatten und dementsprechend 48 mit einer Realschulempfehlung und gar 10 mit einer Hauptschulempfehlung 9 Jahre später an dieser Stelle ihr Abiturzeugnis überreicht bekommen werden.
Aus diesem Grund möchte ich auch in diesem Jahr stellvertretend für alle hier Sitzenden eine Schülerin nach vorne bitten: Jana Schnädelbach
Ihr alle, die ihr gleich eure Zeugnisse bekommt habt etwas geleistet und durch eure jeweilige Anstrengung auch zu den Leistungen der anderen beigetragen. Niemand lernt für sich allein, und wo Lernen an der EGG gelingt, sind immer viele beteiligt:
Insofern gebe ich dir, Jana, jetzt stellvertretend für euch alle ein kleines Buchpräsent mit auf den Weg, in das ich folgendes hineingeschrieben habe:
„Herzlichen Glückwunsch zum besten Abitur an der EGG im Abschlussjahr 2014. Ich wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem weiteren Weg – VF“ (1,3)
Das Buch von Rainer Bölling heißt „Kleine Geschichte des Abiturs“ ist kurzweilig und zugleich informativ. Auch ihr seid jetzt ein Teil der „Geschichte des Abiturs“ und das wollen wir mit gutem Grund heute feiern. Und um es mit Worten eines ehemaligen deutschen Bundestrainers zu sagen, dem wir heute Abend aber sicherlich nicht die Daumen drücken werden:
„Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann.“
Die EGG verabschiedet sich in Dankbarkeit und Respekt von ihren Schülerinnen und Schülern und deren Eltern. Genießt diesen Tag und bleibt uns über diesen Tag hinaus verbunden. Danke!