Abiturrede
2014
Liebe
Abiturienten – sehr geehrte Eltern und Angehörige –
liebe Kollegen:
Interessanterweise
erhält der Redner manchmal kleine Hinweise zu seiner Rede, wie
beispielsweise:
wenn
man dann hier vorne steht kann man sich über all das wieder
locker hinwegsetzen, also habe ich mich – für einen
Historiker angebracht – doch wieder auf die Suche nach Daten
und harten Fakten gemacht, um Bezugspunkte zu meiner diesjährigen
Abiturrede anzustellen.
Ausgeschlossen
habe ich dabei näher auf die Verknüpfung einzugehen, dass
am 26. Juni
1917
die ersten US-amerikanischen Soldaten an der Küste Frankreichs
landeten
1945
mit der Unterzeichnung der Vereinten Nationen die UNO gegründet
wurde
1948
die Berliner Luftbrücke begann oder
1963
der US-Präsident John F. Kennedy vor 400.000 Menschen eine Rede
hielt, die mit „Ich bin ein Berliner“ endet.
Entschieden
habe ich mich jedoch für einen Aufhänger der heute nahe
liegt und sich mit Anekdoten auf Schule und Bildung, individuelle
Leistungsbereitschaft und Teamgeist übertragen lässt: dem
Thema Fußball eben. So stellt beispielsweise
Thomas
Häßler fest: „In der Schule gab es für mich
Höhen und Tiefen. Die Höhen war der Fußball.“
Zuerst
einmal bin ich die Begründung schuldig, warum wir uns
datumsaktuell überhaupt mit Fußball beschäftigen
sollen, also:
Genügend
historische Gründe also sich von hier aus einer Abiturrede zu
nähern, weshalb also nicht mit Rudi
Völler der
ein Ziel wie folgt definiert:
„Zu
50% haben wir es geschafft, aber die halbe Miete ist das noch nicht.“
Also
starte ich noch einmal:
Liebe
Mannschaft, ich gratuliere euch hier Anwesenden zu einem
hervorragenden Spiel. Ihr habt insgesamt hart gekämpft, ja
sicher die eine etwas mehr und der andere etwas weniger, aber ihr
seid an eurem Ziel angekommen; nicht in 90 Minuten, aber die meisten
von euch in 9 Jahren an der EGG. Doch nun haben sich alle Mühen
und Strapazen gelohnt: Jeder einzelne von euch kann sich
Abiturmeister 2014 nennen. Trotzdem dürft ihr nicht vergessen,
dass weitere herausfordernde Spiele auf euch zukommen werden, weshalb
sich eine kurze Analyse des vergangenen Turniers lohnt. Dies erfolgt
im ersten Teil mit einem Zitat von
Lukas
Podolski, der scharfsinnig anmerkt: „Fußball ist wie
Schach, nur ohne Würfel.“
Nun
ja, das wussten die meisten von euch bereits, auch wenn sie keine AG
bei Herrn Sievert besucht haben. Die ersten Jahre an der EGG haben
viele von euch zur Akklimatisierung genutzt, denn ihr musstet euch an
die neue Atmosphäre und den ungewohnten Rasen gewöhnen, der
ja auch tatsächlich manchmal selbst gemäht werden musste.
Unsere Trainer klärten euch über viele eurer Illusionen
auf, aber ihr konntet eure schulische Zeit an der EGG auch in einem
wundervollen Klassenhausambiente verbringen. Das änderte sich
erst mit dem Wechsel in die Oberstufe und der Zielorientierung
Prüfung, oder um hier mit Ailton
zu
sprechen:
„Es
ist einfacher Tore zu schießen, als den deutschen Führerschein
zu machen“
Und
was soll das dann erst einmal mit dem Abitur geben…
Nun
auf dem Weg dorthin wurde jedem von euch klar, dass man für sein
eigenes Weiterkommen selbst verantwortlich war und man seine
persönlichen Qualitäten in Bezug zu den Trainern und den
Mitspielern unter Beweis stellen musste. Auch musste die Technik
verbessert werden, mussten Spielzusammenhänge erkannt,
Aufstellungen durchschaut und alles das im Transfer angewandt werden.
Letztendlich konntet ihr euch aber am Ende immer durchsetzen, sonst
wäret ihr ja heute nicht hier. Sicherlich, so wird berichtet,
gab es auch die eine oder andere Unsicherheit auf die ich eingehen
möchte, aber um mit
Lothar
Matthäus zu sprechen: „Man darf den Sand nicht in den Kopf
stecken“.
So
hatten einige das Gefühl den Aufgaben nicht gewachsen zu sein
und brauchten viel Betreuung vom Betreuerstab; von anderen wurde
oftmals getrickst, sei es mit Doping um ein besseres Spielergebnis zu
erzwingen oder mit Schwalben, um sich vor dem nächsten harten
Training zu drücken. Die Urlaubstage die sich einige Spieler
nahmen, zogen sich oft unangemessen in die Länge. Spätestens
an dieser Stelle kommen natürlich die Trainer in den Blick,
obwohl man diese mit
Toni
Polster sagen lassen kann: „Ich bin ein Optimist. Sogar meine
Blutgruppe ist positiv.“
denn
ich glaube hier seid ihr auf ein großes Maß an Toleranz
und Unterstützung gestoßen, für das ihr sehr dankbar
sein könnt. Und selbst denjenigen unter euch, denen die
Abseitsregel bis zum Finale unklar war, wurde sie geduldig von den
Trainern erklärt. Aber vielleicht geht es euch hier momentan
noch wie einst
Jens
Lehmann, der sagte: „Eine Minute nach Spielende habe ich noch
nicht die Intelligenz um das Spiel zu beurteilen.“
Denn
sicher ist nur, dass Veränderungen auf euch zukommen werden und
dass die Schulzeit zumeist in der Rückschau als besonders
angenehm erscheint, was nicht nur die Feuerzangenbowle zu erzählen
weiß. Noch ist ungewiss was euch alle konkret erwarten wird.
Einige von euch haben schon genauere Vorstellungen davon, in welches
Team sie wechseln wollen und in welcher Position sie spielen möchten,
während andere noch etwas ratlos bezüglich ihrer Zukunft
sind. Sicher ist jedoch, dass ihr gleich ALLE das jetzige Team
verlassen werdet. Ich hoffe, dass jeder von euch, die zu ihm passende
Spielposition findet und damit glücklich wird, so dass ihr mit
Kevin
Kurány sagen könnt: „Mir geht es besser als gestern
und schlechter als morgen.“
Und
mit diesem Blick auf die Zukunft möchte ich tatsächlich
auch in dieser Abiturrede zum Ende hin ernsthafter werden. Zukunft
bezeichnet die Ereignisse zu einem Zeitpunkt, der noch aussteht und
in geringer oder großer Entfernung liegt. Zugleich lässt
der Begriff Zukunft noch mehr anklingen: Verheißung oder
Drohung schwingen darin mit, günstiges oder böses
Schicksal.
Es
gab Zeiten, da war die Zukunft nicht viel mehr als der morgige Tag,
der jeweils seine eigene Plage hatte. Er konnte Glück oder
Unglück mit sich bringen. In dem Maße aber, in dem
Menschen ihre Geschicke in die eigene Hand nehmen, wird aus der
Zukunft, die kommt und etwas mitbringt, das selbst gewählte
Schicksal. Zukunft gerät zur machbaren Folge von geplantem
Handeln und Unterlassen. Zukunft wird meine eigene Leistung –
getreu dem Motto: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“
In
der Bibel aber spielt der Begriff Zukunft eine höchst
untergeordnete Rolle. Hier wird erzählt vom lebendigen Gott, der
kommt, um im Kampf den Schwachen beizustehen und den Gerechten
Gelingen zu geben. Gott kommt zum Menschen, Er kommt zu uns. Nicht
wir müssen Zukunft machen und garantieren. Wir können
Zukunft wagen – ihr könnt Zukunft wagen – in der
Gewissheit: Gott wird an eurer Seite sein, in allem was ihr auf eurem
Weg ausprobiert. Passend dazu scheint mir – und schon sind wir
wieder bei einem Fußballer - das Lebensmotto von Marcelo
Bordon aus dem AltenTestament ausgesucht
zu sein:
„Fürchte
dich nicht, ich stehe dir bei! Hab keine Angst, ich bin dein Gott!
Ich mache dich stark, ich helfe dir.“ (Jesaja 41,10)
Liebe
Abiturientinnen und Abiturienten. Wir entlassen euch in euer Leben
nach der Schule und ein Moment wie dieser ist immer etwas Besonderes
und lässt vermutlich alle nicht kalt. Liebe Abiturientinnen und
Abiturienten habe ich in dieser Rede mehrfach gesagt und damit die
letzte Gelegenheit genutzt, als euer Schulleiter zu euch zu reden.
Wenige
Minuten noch, und alle Beziehungen zwischen euch und dieser Schule
und ihren Menschen werden ergänzt oder ersetzt durch Wörter
wie „ehemalig“ oder „früher“. Meine
ehemalige Schule. Mein früherer Schulleiter oder
Oberstufenleiter, meine Beratungs- oder Biologielehrerin.
Ich
wünsche euch – auch in Anlehnung an den Gottesdienst –
dass eure Zeit an der EGG irgendwann rückblickend zu den guten
Zeiten eures Lebens gehören mag und dass ihr weitere gute Zeiten
in der Zukunft folgen mögen. Ihr habt diese Schule mit Leben
gefüllt. Ich sage im Namen der EGG: Herzlichen Dank!
Sie,
liebe Eltern haben ihre Kinder zu unterschiedlichen Zeiten an der EGG
angemeldet und ihre Erwartungen mögen von daher unterschiedlich
gewesen sein. Wer sein Kind vor 9 Jahren hier angemeldet hat, hat
eine andere Geschichte mit unserer Schule als derjenige, der die EGG
erst in der Oberstufe kennen gelernt hat. Ich hoffe, sie hatten
selten Grund, an ihrer Entscheidung zu zweifeln und sie sind heute
mehr denn je überzeugt, dass diese Entscheidung nicht schlecht
war. Wir bedanken uns bei Ihnen für das geschenkte Vertrauen.
Vielleicht
möchten Sie auch zukünftig etwas Nähe halten und zu
besonderen Veranstaltungen eingeladen werden (Konzerte, Feste) dann
liegt nach den Feierlichkeiten in der Oase eine Liste aus, in der sie
sich mit ihrer Mailadresse eintragen können. Ich würde mich
freuen, wenn es uns gelänge hier nach und nach auch etwas für
Ehemalige aufzubauen.
Bedanken
möchte ich mich in aller Namen auch bei den Lehrerinnen und
Lehrern, die im Laufe der Jahre euch bzw. ihre Kinder begleitet
haben. Dafür, dass sie euch als Individuen wahrgenommen haben
und zu fördern suchten und sich bemüht haben euch gerecht
zu werden. Wo wir euch etwas schuldig geblieben sind hoffen wir auf
Nachsicht und Verzeihen, weil wir darauf genauso angewiesen sind wie
jeder andere Mensch auch.
Dass
wir als Schule durchaus wieder erfolgreich gewesen sind, lässt
sich nur begrenzt an dem Gesamtabiturnotenschnitt von 2,59 oder der
Tatsache ablesen, dass 11 Schüler einen Abiturnotenschnitt von
Einskomma erreicht haben; am ehesten vermutlich noch mit der
Tatsache, dass von 79 Abiturienten lediglich 21 am Ende der Klasse 4
eine gymnasiale Empfehlung erhalten hatten und dementsprechend 48 mit
einer Realschulempfehlung und gar 10 mit einer Hauptschulempfehlung
9 Jahre später an dieser Stelle ihr Abiturzeugnis überreicht
bekommen werden.
Aus
diesem Grund möchte ich auch in diesem Jahr stellvertretend für
alle hier Sitzenden eine Schülerin nach vorne bitten: Jana
Schnädelbach
Ihr
alle, die ihr gleich eure Zeugnisse bekommt habt etwas geleistet und
durch eure jeweilige Anstrengung auch zu den Leistungen der anderen
beigetragen. Niemand lernt für sich allein, und wo Lernen an der
EGG gelingt, sind immer viele beteiligt:
Insofern
gebe ich dir, Jana, jetzt stellvertretend für euch alle ein
kleines Buchpräsent mit auf den Weg, in das ich folgendes
hineingeschrieben habe:
„Herzlichen
Glückwunsch zum besten Abitur an der EGG im Abschlussjahr 2014.
Ich wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem weiteren
Weg – VF“ (1,3)
Das
Buch von Rainer Bölling heißt „Kleine Geschichte des
Abiturs“ ist kurzweilig und zugleich informativ. Auch ihr seid
jetzt ein Teil der „Geschichte des Abiturs“ und das
wollen wir mit gutem Grund heute feiern. Und um es mit Worten eines
ehemaligen deutschen Bundestrainers zu sagen, dem wir heute Abend
aber sicherlich nicht die Daumen drücken werden:
„Das
sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann.“
Die
EGG verabschiedet sich in Dankbarkeit und Respekt von ihren
Schülerinnen und Schülern und deren Eltern. Genießt
diesen Tag und bleibt uns über diesen Tag hinaus verbunden.
Danke!