Abschlussfeier des Jahrgangs 10 im Schuljahr 2022/23

Abschlussrede 2023 für den Jahrgang 10



Als Schulleiter der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck begrüße ich sie alle herzlich zur diesjährigen feierlichen Zeugnisübergabe unseres Abschlussjahrgangs 10. Mittlerweile nicht mehr ganz ungewöhnlich für mich, weil wir dies nach vielen Veränderungen in den Jahren der Coronapandemie weiterhin in zwei Gruppen getrennt und nicht – wie zuvor - als Gesamtjahrgang begehen, da wir in dieser Veränderung eher eine Stärke als einen Nachteil gesehen haben.

Deswegen sitzen in der ersten Runde die Schüler:innen der Klassen 10a, 10 b und 10e hier.

Deswegen sitzen in der zweiten Runde die Schüler:innen der Klassen 10c, 10d und 10f hier.

Und deshalb umso mehr: Alle Menschen, die heute bei uns sind, haben einen Grund gemeinsam zu feiern. Ich begrüße also die Schülerinnen und Schüler unseres zwanzigsten Abschlussjahrgangs in der Sekundarstufe I mit ihren Familien oder Freunden sowie Teile des Kollegiums – Herzlich willkommen!

Unsere Einladung enthält traditionell den Verweis auf eine Bibelstelle, die wir den Zehntklässler:innen als Gruß mit auf den Weg geben. Diesmal sind es Verse aus Sprüche 31,8:

Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“. Es ist ein Verweis darauf, wie wichtig auch immer der Blick auf die Schwächeren in unserer Gesellschaft ist.

Obwohl der Hauptteil meiner Abschlussreden seit nunmehr 10 Jahren immer anders ausfällt und für mich in eine durchaus anstrengende Schlussphase des Schuljahres fällt, habe ich mich tatsächlich noch nie auf den Einladungstext und den hier ausgewählten Bibelvers bezogen: aber für alles gibt es ein erstes Mal und das hängt vermutlich auch mit dem Schwerpunktthema unserer diesjährigen Kollegiumsfortbildung im Evangelischen Bildungszentrum Haus Villigst zusammen: Bildung für nachhaltige Entwicklung – ein Thema, welches für unsere Evangelische Gesamtschule schon immer auf dem Hintergrund der „Bewahrung der Schöpfung“ eine große Rolle gespielt hatte, aber nun noch mehr in den Fokus gerückt ist und weiterhin rücken wird, aber auch für euch, die ihr nun teilweise die EGG verlassen werdet, von größter Bedeutung sein wird.

Alle bisherigen Sommer, so heiß sie auch 2018, 2019 und 2022 waren, werden aus der Zukunft betrachtet zu den kühlsten dieses Jahrhunderts gehören. Seit meinem eigenen Realschulabschluss 1978, dem Jahr in dem das mehrere tausend Seiten dicke vom amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegeben wissenschaftliche Werk „Global 2000“ über die weltweiten Probleme erschien und heute ist kein Deut weniger Dreck in den Himmel gepustet worden, sondern es gibt einen größeren Ressourcenverbrauch, schnelleres Artensterben und ständige Temperaturrekorde zu verzeichnen.

Was aber früher als Problem erkannt worden ist, welches irgendwann irgendwo eintritt, welches also Relevanz hatte, aber weit entfernt ist, hat sich das geändert durch die Überflutung des Ahrtals oder seit unsere Urlaubsregionen in Italien, Frankreich, Spanien oder der Türkei kein Wasser mehr haben oder jeder im letzten Sommer durch den Rhein laufen konnte ohne Jesus zu sein. Wir müssen nicht mehr das Klima retten, sondern uns. Und das Klima wandelt sich auch nicht einfach – sondern wir Menschen erhitzen und leiden selbst darunter. Wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor der Nase und weniger als ein Jahrzehnt Zeit, um die Emissionen drastisch zu reduzieren.

Gekennzeichnet ist das durch den Begriff der „Irreversibilität“. Hierzu ein kleines, aber anschauliches Bild, welches von Eckart von Hirschhausen stammt: „Legen sie ein Ei in Wasser über 40 Grad, es wird hart. Und auch, wenn das Wasser abkühlt, nicht mehr weich. Aus einem gekochten Ei wird nie mehr ein Küken. Es hat für immer – also irreversibel – die Chance auf Leben verloren. Woraus besteht ein Ei? Aus Wasser, Fetten und Proteinen. Woraus besteht ein Mensch und insbesondere unser menschliches Gehirn? Aus Wasser, Fett und Proteinen. Wir können uns aus unserer Biologie nicht freikaufen. Naturgesetze sind nicht verhandelbar.“

Es ist zwar schwer die Welt ehrenamtlich zu retten, solange andere sie hauptberuflich zerstören. Das Wichtigste, was ein Einzelner heute machen kann, ist nicht allein zu bleiben. Und hier beginnt hoffentlich das, wofür wir euch hoffentlich in den letzten Jahren an der EGG auch qualifiziert haben; nämlich Wichtiges von Unwichtigem und Richtiges von Unrichtigem besser unterscheiden zu können. Und dabei offen zu sein für andere Menschen und diese nach ihren Werten zu fragen: „Was ist dir wichtig?“ „Worüber machst du dir Sorgen?“ Und sprecht dabei auch bewusst mit Menschen, die anders ticken als ihr.

Vielleicht hilft euch in diesem Kontext auch unser schulinterner Versuch des interreligiösen Lebens, denn:

  1. Stichwort: Lust auf die Zukunft – Wenn die Religionen besser als andere wissen, war wir Menschen wirklich brauchen, gelingt es uns dann nicht mit ihrer Hilfe, real auch weniger zu ver-brauchen?

  2. Stichwort: Weltweites Netzwerk und dieses ist durch die Ökumene gegeben – „Die Klimakrise ist so himmelschreiend ungerecht, weil diejenigen, die den Himmel am wenigsten verdreckt haben, heute bereits am härtesten betroffen sind: die Menschen im globalen Süden.“ Darüber hinaus besteht die Ungerechtigkeit zwischen den Ländern und innerhalb der Länder, denn „je gebildeter und reicher Menschen sind, desto höher ist ihr CO2-Fußabdruck. Aber auch ihr Handabdruck, durch ihr Handeln etwas zu verändern.“ Biblisch könnte man also sagen: Am Handabdruck sollt ihr sie erkennen, wobei wir wieder bei dem alttestamentlichen Bibelvers wären: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“.

  3. Stichwort: Nächstenliebe als die goldene Grundregel in allen monotheistischen Religionen – und dieser Nächste bzw. diese Nächste kann in unserer heutigen, digital vernetzten Gesellschaft auch 5.000 Kilometer entfernt sein oder ich erweitere: 50 Jahre! Bewahrung der Schöpfung hat nicht nur etwas mit uns im Hier und heute zu tun, sondern immer auch mit der Rücksicht auf unsere nächsten Generationen und als solche sitzt ihr Schüler:innen hier heute vor mir.

Als Elon Musk einmal twitterte: „100 Millionen für eine Erfindung, die CO2 binden kann“, schrieb jemand zurück: „Dürfen sich auch Bäume bewerben?“ Eine witzige Replik, die aus meiner Sicht aber auch zeigt, dass Veränderungen gerade auch im Kleinen beginnen können.

Unabhängig davon, ob sich unsere Wege nun trennen oder noch einige Jahre weiter gehen werden, wünsche ich euch, dass eure Zeit an der EGG irgendwann rückblickend zu den guten Zeiten eures Lebens gehören mag und dass ihr weitere gute Zeiten folgen mögen. Ihr habt diese Schule mit Leben gefüllt, euer Geist und eure Fröhlichkeit haben sie mitgeprägt. Ich sage im Namen der EGG: Herzlichen Dank!

Bei Ihnen, liebe Eltern, bedanke ich mich für das geschenkte Vertrauen, für kritische Fragen, ermutigende Rückmeldungen und für alle Unterstützung in den letzten (zumeist) 6 Schuljahren ihrer Kinder. Vielleicht möchten Sie auch zukünftig zu besonderen Veranstaltungen eingeladen werden (Konzerte, Feste); dafür geht während der Feierlichkeiten eine Liste herum, in der sie sich mit ihrer Mailadresse eintragen können und gezielt eingeladen werden. Auch meine Rede kann – wie immer und garniert mit einigen Fotos dieses Jahrgangs - auf unserer Homepage, dann bereits unter Ehemalige und dann Abschlussfeiern Jahrgang 10 – nachgelesen werden.

Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen – und damit sind insbesondere die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der letzten sechs (vier oder zwei) Schuljahre gemeint – danke ich für das andauernde Engagement, den Langmut und die Freundlichkeit, mit der ihr eure Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren begleitet habt.

Ich möchte zum Ende meiner Rede hin stellvertretend für alle hier Sitzenden die Schüler:innen nach vorne bitten, die in diesem Jahrgang das beste Zeugnis ihres Abschlusses erzielt haben und denen ich als Widmung in das Buchpräsent geschrieben habe:

Herzlichen Glückwunsch zum besten Zeugnis deines Jahrgangs im Abschlussjahr 2023. Ich wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem weiteren Weg.“ Dein Schulleiter, Volker Franken

  1. Gruppe 10a – 10b – 10e:

10a: Joelina Wollny + Arda Cinar

  1. Gruppe 10c – 10d – 10f

10d: Nico Adolph + Lilian Brodoch

Wir entlassen unsere Schüler:innen – wie auf der Einladung geschrieben - in eine Zukunft, der sie mit dem bei uns erworbenen Rüstzeug hoffentlich ohne Furcht und besonnen entgegensehen können. Und wir würden uns wünschen, dass sie an der EGG auch gelernt haben, anderen Menschen mit Zuneigung und Zuwendung zu begegnen.

Die EGG verabschiedet sich in Dankbarkeit und Respekt von ihren Schülerinnen und Schülern und deren Eltern, von denen uns wie wir wissen auch viele für weitere Jahre erhalten bleiben. Genießt diesen Tag. Es ist im Leben nicht oft so, dass man an einem lange angestrebten Ziel angekommen ist.

Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

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