Abschlussrede
2015 für den Jahrgang 10
Als
Schulleiter der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck
begrüße ich sie alle herzlich zur diesjährigen Feier
unseres Abschlussjahrgangs 10. Alle Menschen, die in unserem
vollbesetzten Theater sitzen haben einen Grund gemeinsam zu feiern.
Ich begrüße also große Teile des Kollegiums der EGG
sowie Schülerinnen und Schüler unseres zwölften
Abschlussjahrgangs in der Sekundarstufe I mit ihren Familien und mit
ihren Freunden – Herzlich willkommen!
Wie
ich in den letzten Tagen am eigenen Leib erfahren musste, ist das
Schwierigste bei einer Rede immer der Einstieg und damit der rote
Faden – und immerhin darf ich das innerhalb von zwei Tagen auch
zweimal erleben. Nach einer längeren Zeit des reiflichen
Überlegens gelangte ich deshalb zur Einsicht:
„Da
steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“
(Goethe)
Doch
als findiger Schulleiter weiß ich natürlich: „Not
macht erfinderisch.“ Deswegen habe ich das getan, was meiner
Erfahrung nach die meisten Schülerinnen und Schüler in
einer solchen (ich hoffe aber nur schulischen) Notsituation auch
getan hätten: den Weg des geringsten Widerstandes gewählt.
Leider führte die Suche bei Wikipedia zu keinem Ergebnis. Sich
der klugen Gedanken anderer zu bedienen, kann man allerdings nicht
nur bei Wikipedia, sondern auch, indem man Zitate verwendet (siehe
hierzu auch meinen Goetheeinstieg zu Beginn). Unbestritten ist in
diesem Raum hoffentlich die Tatsache, dass Bertolt Brecht kluge
Gedanken hatte, von denen ich einen für diesen Moment ausgewählt
habe.
„Wir
stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen.
Den
Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Sicherlich
hat Brecht als er diesen Satz für sein Stück „Der
gute Mensch von Sezuan“ formulierte nicht an die hier sitzenden
Schülerinnen und Schüler gedacht, dennoch beschreibt er
treffend das Ende der bisherigen Phase eurer Schullaufbahn. „Alle
Fragen offen“ –
eigentlich ist die Schule dazu da Wissen zu vermitteln und Fragen zu
beantworten und ich ergänze gerne, weil ich das für viel
spannender halte: junge Menschen für neue Fragen zu öffnen.
Letzteres passt auch gut zu eurem Motto aus dem Gottesdienst: Change
– Wandel.
Nach
10 Schuljahren stehen nun plötzlich viele neue und unbekannte
Türen offen. Aber was soll man bloß tun mit der
neugewonnen Freiheit? Ganz allein hinaus in die große, weite
Welt, neue Länder und Kulturen kennen lernen, sehen was die Welt
zu bieten hat. Wie es tatsächlich auch schon Johann Wolfgang von
Goethe (erneut in seinem Faust) formulierte:
„Greift
nur hinein ins volle Menschenleben!
Ein
jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt,
Und
wo ihr’s packt, da ist’s interessant.“
Doch
der Schein nahezu grenzenloser Freiheit trügt. Heutzutage wird
im Berufsleben Mobilität gefordert. So mancher bereist die Welt
nicht mehr bloß, um sie zu sehen, sondern damit der
Personalchef von Thyssen-Krupp sich beim Bewerbungsgespräch
keine Gedanken darüber machen muss, ob ihr eure Soft
Skills als
Young
Professionals
ausreichend trainiert habt und damit eine gute Human
Ressource
für die Company
seid, damit ihr ein gutes Customer
Relationship
aufbauen könnt oder doch noch einmal ins Assessment-Center
müsst.
Hier
bleibt bereits die Schwierigkeit, dieses kaum als Business-English
zu bezeichnende Kauderwelsch überhaupt zu enträtseln. Und
natürlich bleiben so auch „alle
Fragen offen.“ In
diesem Sinne hoffe ich, dass euch die letzten Jahre an der EGG besser
qualifiziert haben, auch für euer weiteres berufliches Leben
Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden zu können. Aus der
Wissenschaft wird hierzu prognostiziert, dass die meisten heutigen
Schulabgänger, während ihres Berufslebens mindestens 3-4
mal ihren Beruf aufgrund der Schnelllebigkeit unserer Zeit wechseln
werden und viele von euch in 10 Jahren in Berufen arbeiten werden,
die es heute noch gar nicht gibt. Um diese Zukunft meistern zu
können, muss man eine Fähigkeit besonders ausgeprägt
gelernt haben, nämlich die das ganze Leben lang zu lernen.
Lernen
ist ein wichtiges Stichwort für eine Rede an diesem besonderen
Tag. In der hebräischen Sprache des Alten Testaments in der
Bibel stellt das Verb „lehren“ übrigens eine
Intensivform des Verbs „lernen“ dar. Lehrerinnen und
Lehrer sind also nach biblischem Verständnis Frauen und Männer,
die besonders intensiv lernen. Solches gemeinsame Lernen in der
Schule kann demnach mit gutem Grund als eine wesentliche Aussage
unserer Religion gelten und sollte von daher das pädagogische
Handeln an der EGG bestimmen. Auch im christlichen Glauben sind wir
alle gemeinsam als Lernende unterwegs.
Zum
lebenslangen Lernen gehört auch die Fähigkeit mit anderen
zusammen zu arbeiten. Hinzu kommen eine positive Einstellung zum
Lernen und zum Leben, die Bereitschaft Risiken einzugehen und Fehler
nicht als etwas Schlimmes, sondern als Hilfe auf dem weiteren Weg zu
betrachten. Wir hoffen, dass wir euch an der EGG mit diesen
Fähigkeiten und mit diesen Kompetenzen ausgestattet haben, die
ja auch allen von euch in den nächsten drei Jahren, wenn ihr
nach den Sommerferien in Richtung Abitur aufbrecht zu Gute kommen
können.
Natürlich
ließe sich auch das mit Goethe auf den Punkt bringen:
„Es
irrt der Mensch, solang er strebt.“
Zu
ergänzen wäre aber: Er muss auch streben, denn das ist die
gedankliche Ausgangsbedingung!
Aber
unabhängig davon, ob sich unsere Wege nun trennen oder noch
einige Jahre weiter gehen werden, wünsche ich euch, dass eure
Zeit an der EGG irgendwann rückblickend zu den guten Zeiten
eures Lebens gehören mag und dass ihr weitere gute Zeiten folgen
mögen. Ihr habt diese Schule mit Leben gefüllt, euer Geist
und eure Fröhlichkeit haben sie mit geprägt. Ich sage im
Namen der EGG: Herzlichen Dank !
Bei
Ihnen, liebe Eltern, bedanke ich mich für das geschenkte
Vertrauen, für kritische Fragen, ermutigende Rückmeldungen
und für alle Unterstützung in den letzten (zumeist) 6
Schuljahren ihrer Kinder. Vielleicht wollen einige von Ihnen unsere
Schule weiterhin unterstützen, indem sie einfach Mitglied im
Förderverein bleiben – das wäre eine schöne
Geste. Vielleicht möchten Sie auch zukünftig zu besonderen
Veranstaltungen eingeladen werden (Konzerte, Feste); dafür geht
während der Feierlichkeiten eine Liste herum, in der sie sich
mit ihrer Mailadresse eintragen können und gezielt eingeladen
werden.
Euch,
liebe Kolleginnen und Kollegen – und damit sind insbesondere
die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der letzten sechs Schuljahre
gemeint – danke ich für das andauernde Engagement, den
Langmut und die Freundlichkeit mit der ihr eure Schülerinnen und
Schüler in den letzten Jahren begleitet habt.
Erfolgreich
waren wir an der EGG bezogen auf die Abschlüsse auch in diesem
Jahrgang. So haben alle Schülerinnen und Schüler einen
Abschluss erreicht, davon 25 den HA 10, 48 Schülerinnen und
Schüler die Fachoberschulreife (FOR) und 54% oder 84
Schülerinnen und Schüler die Qualifikation für die
Oberstufe.
Ich
möchte zum Ende meiner Rede hin stellvertretend für alle
hier Sitzenden drei Schüler nach vorne bitten, die jeweils in
ihrem eigenen Abschluss das beste Zeugnis der Jahrgangsstufe 10
erzielt haben und denen ich als Widmung in das Buchpräsent
geschrieben habe:
„Herzlichen
Glückwunsch zum besten Zeugnis im Abschlussjahr 2015. Ich
wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem weiteren
Weg.“ Volker Franken
Josephine Robinson (10b + FOR)
Teyhan
Altun (10a + HA 10)
Jens
Richter (10f + FORQ)
Die
EGG verabschiedet sich in Dankbarkeit und Respekt von ihren
Schülerinnen und Schülern und deren Eltern, von denen uns
wie wir wissen auch viele für weitere Jahre erhalten bleiben.
Genießt diesen Tag. Es ist im Leben nicht oft so, dass man an
einem lange angestrebten Ziel angekommen ist.
Zum
Ende der Rede hin bin ich dann nochmals schwach geworden und muss sie
– weil’s so schön ist – erneut mit einem
Faustzitat abschließen, denn:
„Der
Worte sind genug gewechselt, Lasst mich nun endlich Taten sehen!“
Herzlichen
Dank für ihre Aufmerksamkeit.