Abschlussrede
2020 für den Jahrgang 10
Als
Schulleiter der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck
begrüße ich sie alle herzlich zur diesjährigen
feierlichen Zeugnisübergabe unseres Abschlussjahrgangs 10.
Ungewöhnlich natürlich, weil wir diesen erstmals
coronabedingt nur auf Klassenebene und an einem ungewohnten Ort
durchführen können.
Und
trotzdem: Alle Menschen, die heute bei uns sind, haben einen Grund
gemeinsam zu feiern. Ich begrüße also die Schülerinnen
und Schüler unseres siebzehnten Abschlussjahrgangs in der
Sekundarstufe I mit jeweils zwei Personen aus ihrem Familien- und
Freundeskreis sowie Teile des Kollegiums – Herzlich willkommen!
Beginnen
möchte ich meine Abschlussrede mit einem Zitat:
„Die
heutige Jugend ist von Grund auf verdorben,
sie
ist böse, gottlos und faul,
sie
wird niemals so sein, wie die Jugend vorher,
und
es wird ihr niemals gelingen,
unsere
Kultur zu erhalten“
Und
nein: Dieses Zitat stammt nicht aus einem Zeitungskommentar oder
einer Politikerrede der letzten Wochen, in der beklagt wird, dass
ihre Kinder wegen des Unterrichtsausfalls in den Schulen seit März
viel zu wenig gelernt haben, nein: Das Zitat stammt aus einer
babylonischen Steintafel, deren Alter auf mindestens 3000 Jahre
geschätzt wird.
Es
gibt also durchaus Anlass zur Hoffnung!
Und
das besonders, da ihre Kinder, sofern sie weiterhin an der EGG
verbleiben werden, nach den Ferien mit iPads ausgestattet sein
werden, also auch bei einem erneuten, sogenannten „Lernen auf
Distanz“, dem weiteren schulischen Lernen kaum mehr Steine in
den Weg gelegt sein werden.
Ich
sprach gerade bewusst von dem schulischen Lernen, denn das Lernen an
sich lässt sich überhaupt nicht vermeiden – auch wenn
in einigen unserer Jahrgänge seit Mitte März so gut wie
kein Präsenzunterricht stattgefunden hat. Und das ist auch keine
neue Erkenntnis, denn Wilhelm von Humboldt hielt bereits vor 200
Jahren fest:
„Bilde
dich selbst! Und dann wirke auf andere durch das, was du bist.“
Hiermit
verbunden war im alten Preußen der durchaus hehre Wunsch, dass
sich die schulische Bildung nicht nur auf Wissensvermittlung
beschränken solle, sondern der persönlichen Entfaltung eine
besondere Bedeutung zu verleihen habe.
Nach
10 Schuljahren stehen nun plötzlich viele neue und unbekannte
Türen offen. Aber was soll man bloß tun mit der
neugewonnen Freiheit? Ganz allein hinaus in die große, weite
Welt, neue Länder und Kulturen kennen lernen, sehen was die Welt
zu bieten hat. Wie es tatsächlich auch schon Tolkien in seinem
Werk „Der Herr der Ringe“ formulierte:
„Die
Straße gleitet fort und fort
Weg
von der Tür, wo sie begann,
Zur
Ferne hin, zum fremden Ort,
Ihr
folge denn, wer wandern kann.“
Doch
der Schein nahezu grenzenloser Freiheit trügt. Heutzutage wird
im Berufsleben Mobilität gefordert. So mancher bereist die Welt
nicht mehr bloß, um sie zu sehen, sondern damit der
Personalchef von Thyssen-Krupp sich beim Bewerbungsgespräch
keine Gedanken darüber machen muss, ob ihr eure Soft
Skills
als Young
Professionals
ausreichend trainiert habt und damit eine gute Human
Ressource
für die Company
seid, damit ihr ein gutes Customer
Relationship
aufbauen könnt oder doch noch einmal ins Assessment-Center
müsst.
Hier
bleibt bereits die Schwierigkeit, dieses kaum als Business-English
zu bezeichnende Kauderwelsch überhaupt zu enträtseln. In
diesem Sinne hoffe ich, dass euch die letzten Jahre an der EGG besser
qualifiziert haben, auch für euer weiteres berufliches Leben
Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden zu können. Aus der
Wissenschaft wird hierzu prognostiziert, dass die meisten heutigen
Schulabgänger, während ihres Berufslebens mindestens 3-4
mal ihren Beruf aufgrund der Schnelllebigkeit unserer Zeit wechseln
werden und viele von euch in 10 Jahren in Berufen arbeiten werden,
die es heute noch gar nicht gibt. Um diese Zukunft meistern zu
können, muss man eine Fähigkeit besonders ausgeprägt
gelernt haben, nämlich die das ganze Leben lang zu lernen.
Zum
lebenslangen Lernen gehört auch die Fähigkeit mit anderen
zusammen zu arbeiten. Hinzu kommen eine positive Einstellung zum
Lernen und zum Leben, die Bereitschaft Risiken einzugehen und Fehler
nicht als etwas Schlimmes, sondern als Hilfe auf dem weiteren Weg zu
betrachten. Wir hoffen, dass wir euch an der EGG mit diesen
Fähigkeiten und mit diesen Kompetenzen ausgestattet haben, die
ja auch allen von euch in den nächsten drei Jahren, wenn ihr
nach den Sommerferien in Richtung Abitur aufbrecht zu Gute kommen
können.
Zur
Freude einiger Kolleginnen und Kollegen führt die Art der
heutigen Feier natürlich auch zu einer maximalen Sprechzeit für
die Abschlussrede des Schulleiters, was mir nicht ganz leicht fällt
und was ich auch keineswegs so gut beherrsche wie ein anderer
bekannter Schulleiter, den ich an dieser Stelle zitieren möchte:
„Willkommen!“,
rief er. „Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts. Bevor wir
mit unserem Bankett beginnen, möchte ich ein paar Worte sagen.
Und hier sind sie: Schwachkopf! Schwabbelspeck! Krimskrams! Quiek!
Danke sehr! Und er nahm wieder Platz.“
Das
ist wahrhaftig kurz, so kurz, dass ich mich mit Hogwarts in drei
Jahren gerne noch einmal genauer beschäftigen möchte, wenn
das Abitur hinter vielen von euch liegen wird.
Aber unabhängig davon, ob
sich unsere Wege nun trennen oder noch einige Jahre weiter gehen
werden, wünsche ich euch, dass eure Zeit an der EGG irgendwann
rückblickend zu den guten Zeiten eures Lebens gehören mag
und dass ihr weitere gute Zeiten folgen mögen. Ihr habt diese
Schule mit Leben gefüllt, euer Geist und eure Fröhlichkeit
haben sie mit geprägt. Ich sage im Namen der EGG: Herzlichen
Dank !
Bei
Ihnen, liebe Eltern, bedanke ich mich für das geschenkte
Vertrauen, für kritische Fragen, ermutigende Rückmeldungen
und für alle Unterstützung in den letzten (zumeist) 6
Schuljahren ihrer Kinder. Vielleicht
möchten Sie auch zukünftig zu besonderen Veranstaltungen
eingeladen werden (Konzerte, Feste); dafür geht während der
Feierlichkeiten eine Liste herum, in der sie sich mit ihrer
Mailadresse eintragen können und gezielt eingeladen werden.
Euch,
liebe Kolleginnen und Kollegen – und damit sind insbesondere
die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der letzten sechs Schuljahre
gemeint – danke ich für das andauernde Engagement, den
Langmut und die Freundlichkeit mit der ihr eure Schülerinnen und
Schüler in den letzten Jahren begleitet habt.
Ich
möchte zum Ende meiner Rede hin stellvertretend für alle
hier Sitzenden einen Schüler nach vorne bitten, der in seiner
Klasse das beste Zeugnis erzielt hat und dem ich als Widmung in das
Buchpräsent geschrieben habe:
„Herzlichen
Glückwunsch zum besten Zeugnis deiner Klasse im Abschlussjahr
2020. Ich wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem
weiteren Weg.“ Dein Schulleiter, Volker Franken
10a:
Lorena Cubero Gamero + Laura Dreiling 1,6
10b: Linus Abdullah
Ince 1,3
10c: Julia Rabeneck 1,2
10d: Jonathan Süß
1,2
10e: Kristin Lehrhove 1,4
10f: Lisa-Marie
Baldschun 1,9
Die
EGG verabschiedet sich in Dankbarkeit und Respekt von ihren
Schülerinnen und Schülern und deren Eltern, von denen uns
wie wir wissen auch viele für weitere Jahre erhalten bleiben.
Genießt diesen Tag. Es ist im Leben nicht oft so, dass man an
einem lange angestrebten Ziel angekommen ist.
Zum
Ende der Rede hin bin ich dann nochmals schwach geworden und muss sie
– weil’s so schön ist – erneut mit einem Zitat
abschließen:
„Wie
jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem
Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht
jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu
ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es
muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit
zum Abschied sein und Neubeginne,
Um
sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In
andre, neue Bindungen zu begeben.
Und
jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der
uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Herzlichen
Dank für ihre Aufmerksamkeit. (8 Minuten)